Buch und Ausstellung „100xKurhaus“

Buch und Ausstellung „100xKurhaus“
Am 31. Dezember 1914 öffnete das neue Meraner Kurhaus dem noblen Kurpublikum die Tore. Der Kulturverein „La Fabbrica del Tempo – Die Zeitfabrik“ erinnert an dieses 100-jährige Jubiläum der Kurhaus-Eröffnung mit einem Buch über die wechselvolle Geschichte des wohl berühmtesten Meraner Wahrzeichens. Das Buch will keine nostalgische Hommage an das geschichtsträchtige Gebäude sein, sondern versteht sich als Denkanstoß, um die Vergangenheit mit neuen Augen zu betrachten und Zukunftsgedanken zu entwickeln. Vorgestellt wird das Buch „100xKurhaus“ am Freitag, 10. Oktober 2014 um 18.30 Uhr im Pavillon des Fleurs in Meran. Zugleich findet die Vernissage einer Ausstellung statt, die spannende Einblicke in die Meraner Geschichte des 20. Jahrhunderts bietet.

Es gibt nur wenige Gebäude in Meran, die als Brennspiegel der städtischen Geschichte bezeichnet werden können, das Kurhaus zählt zweifelsohne dazu. Als es am Silvesterabend 1914 feierlich eingeweiht wurde, erklangen markige, hurrapatriotische Reden. Die einen schnellen „Siegfrieden“ herbeisehnenden Worte sollten bald verhallen. Zu Pfingsten 1915 trat Italien an der Seite der Alliierten in den Ersten Weltkrieg ein. Die neue Front in den Dolomiten und im Ortlergebiet ließ Merans Wohlstand zu Staub zerfallen. Das soeben eröffnete Kurhaus wurde 1917 seines Kupferdaches beraubt und musste eine Kriegsküche beherbergen. Die Wirren des Krieges verhinderten die bauliche Vervollständigung. Stararchitekt Friedrich Ohmann (und auch den damaligen Gemeindevätern) schwebte ein monumentales Gebäude vor. Von der ursprünglichen Idee konnte jedoch nur ein Drittel verwirklicht werden: das heutige Kurhaus. Das Ohmann’sche Gebäude ist vielleicht das schönste Provisorium, das es in Südtirol gibt – mit Sicherheit ist es das geschichtsträchtigste. Immerhin diente es im Laufe der letzten 100 Jahre nicht einzig als Bühne der Eleganz und Kulisse für Konzerte, Modenschauen, Bälle und Ausstellungen. Im November 1969 wurde im Kursaal Südtiroler Geschichte geschrieben: Die Landesversammlung der SVP nahm das sogenannte „Paket“ an und ebnete damit den Weg, der zum 2. Südtiroler Autonomiestatut von 1972 führen sollte. Auch 2012 war die große Politik im Haus zu Gast: Staatspräsident Giorgio Napolitano und seinem österreichischen Amtskollegen Heinz Fischer wurde der Große Verdienstorden des Landes Südtirol verliehen.

Diese und andere Facetten des Kurhaus-Mosaiks werden im Buch und in der Ausstellung gezeigt. Beide verstehen sich als Einladung zu einer Reise, die durch die letzten 100 Jahre des Kurhauses (und damit auch durch die jüngere Geschichte Merans und Südtirols) führt.
Die Ausstellung wurde von Elisabeth Hölzl, Rosanna Pruccoli und Maurizio Tiglieri konzipiert, gemeinsam mit den Schülern der Kunstfachrichtung des Meraner Gymnasiums „Josef Ferrari“. Die Schau zeigt unter anderem Gegenstände aus dem Kurhausfundus und ist vom 10. bis 31. Oktober im Pavillon des Fleurs in Meran frei zugänglich.
Das Buch, das von Tiziano Rosani (Präsident „La Fabbrica del Tempo – Die Zeitfabrik“), Rosanna Pruccoli (Kunsthistorikerin), Patrick Rina (Journalist) und Elisabeth Hölzl (Fotografin) herausgegeben wird, setzt sich einerseits mit den architektonischen und künstlerischen Eigenschaften des Kurhauses auseinander, andererseits dokumentiert es die vielen Ereignisse und Veranstaltungen, die im Laufe des vergangenen Jahrhunderts Meran geprägt haben.
Die Publikation ist dreisprachig und trägt damit bewusst dem kosmopolitischen Charakter der Passerstadt Rechnung. Die Kapitel sind in deutscher, italienischer und englischer Sprache verfasst, am Ende jedes Kapitels fasst ein Kurztext den Inhalt auf Deutsch oder Italienisch zusammen.

Ein Essay von Ulrike Kindl eröffnet den Reigen der Beiträge und umreißt die Geschichte Merans der vergangenen 150 Jahre und gibt gleichzeitig kritische Impulse für die Weiterentwicklung der Stadt.
Paul Rösch erklärt, wie sich Meran von einer verarmten „Kuhstadt“ zu einer Kurstadt von Weltruf entwickeln konnte, während sich Magdalene Schmidt damit auseinandersetzt, wie der Architekt Friedrich Ohmann dem Kurhausbau seinen Stempel aufdrückte. Carl Kraus beschreibt das Kurhaus als Gesamtkunstwerk des Jugendstils, wie es Ohmann erdacht hatte. So lieferte der Architekt selbst für kleinste Details der Ausstattung eigene Entwürfe: von den Spiegelrahmen über silberne Salzstreuer bis hin zum Kurhauslogo. Das Kurhaus war für aristokratische und betuchte Kreise reserviert, für die Arbeiter, die es errichteten, gab es nicht einmal eine angemessene Kochgelegenheit. Deshalb regte sich unter ihnen Protest, worüber Paolo Valente berichtet. In seinem unverwechselbaren Stil geht Matthias Schönweger auf den Meraner Journalisten und Fotografen Albert Ellmenreich ein. Der langjährige Chefredakteur der „Meraner Zeitung“ dokumentierte in mehr als 3.000 Schnappschüssen das Leben vor, während und nach dem Großen Krieg. Renate Abram steuert zwei Essays bei, zum einen beschreibt sie die Musikpavillons, die im Laufe der Zeit das Erscheinungsbild der Passerstadt prägten; zum anderen berichtet sie über die Nutzung des Kursaales zwischen 1918 und 1945. Maurizio Visintin wiederum widmet sich der Unterbringung eines Casinos im Kurhaus, dieses Unterfangen war aber nie für längere Zeit von Erfolg gekrönt. Das weltoffene Klima in der Blütezeit der Kurstadt beleuchtet Denise Hamer Hope in ihrem englischsprachigen Beitrag. Sie erwähnt dabei berühmte Gäste aus dem angloamerikanischen Kulturraum.
Den etwas in Vergessenheit geratenen US-amerikanischen Autor John L. Stoddard porträtiert Patrick Rina. Stoddard war um 1900 einer der meistbekannten Reiseschriftsteller. Er ließ sich später in Meran nieder und verfasste während des Ersten Weltkriegs pro-deutsche Propagandaschriften. Eine „etwas andere“ Literaturgeschichte der Stadt an der Passer stammt aus der Feder von Siegfried de Rachewiltz: er weist Meran-Aufenthalte einiger berühmter Literaten nach, darunter jene von Joachim Ringelnatz und Leopold von Sacher-Masoch. Rosanna Pruccoli und Sabine Hillebrand skizzieren die Entwicklung der Mode, wie sie im 20. Jahrhundert im eleganten Rahmen des Kurhauses zur Schau gestellt wurde. Francesco Rosani nimmt ein „Mäuerchen“ unter die Lupe, das sich im Moserpark ganz in der Nähe des Pavillon des Fleurs befindet; beim „muretto“ traf sich in den späten 60er- und in den 70er-Jahren die linke Jugend Merans zum politischen Austausch und Protest. Die Beiträge von Ferruccio Delle Cave und Ewald Kontschieder sind buchstäblich der klangvollen Vergangenheit und Gegenwart der Stadt gewidmet: Delle Cave nimmt sich der historischen Musikfeste und der seit den Achtzigern stattfindenden Musikwochen an. Er erläutert außerdem, wie Richard Strauss einst Meran die Ehre gab. Kontschieder thematisiert in seinem Aufsatz die Blüte und das Verwelken des Meraner Kurorchesters. 1855 gegründet, stellte es kurz vor seinem hundertfünfzigjährigen Bestehen seine Tätigkeit ein. Dass im Kurhaus nicht nur große musikalische und politische Veranstaltungen über die Bühne gehen, daran erinnert Domenico Rosani in seinem Beitrag über verschiedene Veranstaltungen deutscher und italienischer Jugendlicher. Für einen weiteren Artikel über das Gestern, Heute und Morgen in der Kurstadt hat er die Meran-Kenner Zeno Braitenberg, Siegfried Unterberger und Alessandro Banda interviewt. Josef Prackwieser hält in seinem „Kaleidoskop“ die wichtigsten Geschehnisse in Meran zwischen 1914 und 2014 fest – abwechselnd in deutscher und italienischer Sprache.

Sowohl die Ausstellung als auch das Buch sind das Ergebnis einer engen Zusammenarbeit vieler Akteure des kulturellen und sozialen Lebens der Passerstadt und darüber hinaus.

Als das Kurhaus 1914 zum neuen Schmuckstück Merans avancierte, erhoben sich nicht nur wohlwollende Stimmen. Einige Architekturelemente, zum Beispiel die leichtfüßig auf dem Dach tanzenden Grazien, wurden nicht von allen geschätzt. Heute – genau hundert Jahre später – soll das Jubiläum dazu dienen, das gemeinsame Geschichtsbewusstsein und kulturelle Zugehörigkeitsgefühl der Bürger Merans zu festigen.

Text von Patrick Rina

Vernissage der Ausstellung und Buchpräsentation: Freitag, 10. Oktober 2014, 18.30 Uhr, Pavillon des Fleurs in Meran
Ausstellung: 11.-31.10.2014 täglich von 10-19 Uhr, Pavillon des Fleurs, Eintritt frei

Öffentlichkeitsarbeit: LPS Bozen 

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